Farbenfehlsichtigkeit — bin ich betroffen?
Farbenfehlsichtigkeit — bin ich betroffen?
„Wenn ich mich anziehe, achtet meine Frau darauf, dass ich Farben wähle, die zueinanderpassen“, erzählt Rodney. „Beim Frühstück sucht sie mir ein Stück Obst aus, weil ich nicht sehen kann, ob die Frucht reif ist oder nicht. Bei der Arbeit am Bildschirm kann ich nicht immer erkennen, wo ich klicken muss, da die betreffenden Stellen oft farblich markiert sind. Im Straßenverkehr kann ich Rot und Grün nur unterscheiden, indem ich darauf achte, ob die Ampel oben oder unten aufleuchtet. Doch wenn die Leuchtfelder horizontal angeordnet sind, wird es schwierig.“
* Wie die überwiegende Mehrheit der Betroffenen sieht Rodney keinesfalls nur Schwarz und Weiß, sondern kann durchaus verschiedene Farben wahrnehmen. Doch bestimmte Farben sehen für ihn anders aus als für jemanden mit normalem Sehvermögen.
RODNEY leidet an Farbenfehlsichtigkeit. Bei Rodney beeinträchtigt ein ererbter Gendefekt die Funktion der Netzhaut, die lichtempfindliche Schicht des Auges. Dieser Defekt betrifft etwa 8 Prozent aller Männer europäischer Herkunft und rund 0,5 Prozent der Frauen.In der Netzhaut des menschlichen Auges befinden sich normalerweise drei Arten zapfenförmiger Lichtsinneszellen. Jede Zellart ist auf die Wellenlänge einer bestimmten Grundfarbe des Lichts spezialisiert — Blau, Grün oder Rot. Licht unterschiedlicher Wellenlänge stimuliert die entsprechenden Zapfen, die ein Signal ans Gehirn senden und so das Farbensehen ermöglichen. * Bei Menschen mit Farbenfehlsichtigkeit sprechen die Zapfen nur schwach auf eine oder mehrere Farben oder auf andere Wellenlängen an, wodurch sich ihre Reaktion auf Farben verändert. Die meisten Betroffenen haben Probleme, Gelb, Grün, Orange, Rot und Braun zu unterscheiden. Es fällt ihnen beispielsweise schwer, grünen Schimmel auf braunem Brot oder auf gelbem Käse zu erkennen oder festzustellen, ob jemand blauäugig und blond ist oder grünäugig und rothaarig. Für jemanden, dessen Zapfen für Rot sehr schwach sind, erscheint eine rote Rose schwarz. Ganz wenige können kein Blau erkennen.
Farbenfehlsichtigkeit und Kinder
Farbenfehlsichtigkeit wird in der Regel vererbt. Da sie meist bereits bei der Geburt vorhanden ist, kompensieren die betroffenen Kinder oft unbewusst ihre Fehlsichtigkeit. Obwohl sie beispielsweise bestimmte Farbtöne nicht sehen können, erkennen sie doch Unterschiede in Kontrast und Helligkeit und verbinden diese Variationen mit den entsprechenden Farbbezeichnungen. Oder sie lernen, Gegenstände mithilfe von Mustern und Strukturen zu identifizieren anstatt anhand der Farbe. Tatsächlich merken viele während der Kindheit gar nichts von ihrem Problem.
Da in der Schule oft farbige Lehrmittel verwendet werden — vor allem in den ersten Klassen —, denken Eltern und Lehrer vielleicht, ein Kind habe eine Lernschwäche, obwohl es eigentlich an Farbenfehlsichtigkeit leidet. Ein Fünfjähriger wurde sogar von der Lehrerin bestraft, weil er ein Bild mit rosa Wolken, grünen Menschen und Bäumen mit braunen Blättern gemalt hatte. Einem Kind mit Farbenfehlsichtigkeit erscheinen diese Farben möglicherweise völlig normal. Nicht umsonst empfehlen einige Behörden, das Farbensehen routinemäßig schon bei kleinen Kindern zu testen.
Farbenfehlsichtigkeit ist nicht heilbar. Sie wird jedoch mit dem Alter weder schlimmer noch erhöht sie das Risiko für andere Sehschwächen. * Dennoch kann Farbenfehlsichtigkeit ausgesprochen frustrierend sein. Unter der Herrschaft des Königreiches Gottes dagegen wird Jesus Christus gottesfürchtige Menschen von sämtlichen Spuren der Unvollkommenheit befreien. Dann werden Menschen, die einmal die verschiedensten Sehbehinderungen hatten, die ganze Pracht der Schöpfung Jehovas wahrnehmen können (Jesaja 35:5; Matthäus 15:30, 31; Offenbarung 21:3, 4).
[Fußnoten]
^ Abs. 3 Farbenfehlsichtigkeit kommt bei Menschen aller Hautfarben vor, am häufigsten jedoch bei Weißen.
^ Abs. 4 Viele Tiere können Farben wahrnehmen, wenn auch anders als Menschen. Die Netzhaut von Hunden etwa hat nur zwei Zapfenarten — eine für Blau und eine andere für einen Farbton zwischen Rot und Grün. Manche Vögel dagegen besitzen vier Zapfenarten und können im Gegensatz zu Menschen ultraviolettes Licht sehen.
^ Abs. 8 In manchen Fällen kann die Farbenfehlsichtigkeit auch durch Krankheit verursacht werden. Wer als Erwachsener merkt, dass sich seine Farbwahrnehmung verändert, sollte einen Augenarzt aufsuchen.
[Kasten/Diagramme auf Seite 18]
FARBSEHTESTS
Bei Tests, mit denen die Form und der Grad einer Farbenfehlsichtigkeit festgestellt werden soll, wird oft mit Punktmustern in unterschiedlichen Farbtönen und Helligkeitsstufen gearbeitet. Der häufig verwendete Ishihara-Test besteht aus bis zu 38 verschiedenen Tafeln. Bei Tageslicht und intaktem Sehvermögen sind die Zahlen 42 und 74 zu erkennen. Jemand mit der verbreiteten Rotgrünblindheit würde oben wahrscheinlich keine Zahl erkennen und unten eine 21 lesen. *
Lässt der Test eine Farbenfehlsichtigkeit erkennen, wird der Augenarzt wahrscheinlich weitere Untersuchungen empfehlen, um festzustellen, ob sie vererbt wurde oder ob eine andere Ursache vorliegt.
[Fußnote]
^ Abs. 15 Die Abbildungen dienen nur als Beispiel. Diagnostische Tests sollten von Fachpersonal durchgeführt werden.
[Bildnachweis]
Tafeln auf Seite 18: Reproduced with permission from the Pseudoisochromatic Plate Ishihara Compatible (PIPIC) Color Vision Test 24 Plate Edition by Dr. Terrace L. Waggoner/www.colorvisiontesting.com
[Kasten auf Seite 19]
WARUM HAUPTSÄCHLICH MÄNNER?
Farbenfehlsichtigkeit wird über das X-Chromosom vererbt. Frauen besitzen zwei X-Chromosomen, Männer dagegen ein X- und ein Y-Chromosom. Wenn somit eine Frau über ein X-Chromosom eine Sehschwäche geerbt hat, wird das normale Gen im anderen Chromosom wahrscheinlich dominieren und ihre Sehfähigkeit bleibt normal. Hat jedoch ein Mann einen Defekt auf dem X-Chromosom geerbt, steht ihm kein weiteres X-Chromosom zur Verfügung, um diesen Fehler auszugleichen.
[Diagramm/Bilder auf Seite 18]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
WIE WIR FARBEN SEHEN
Das von einem Objekt ausgehende Licht fällt durch Hornhaut und Linse und wird auf der Netzhaut gebündelt
Hornhaut
Linse
Netzhaut
Das umgekehrte Bild wird später im Gehirn korrigiert
DER SEHNERV übermittelt dem Gehirn visuelle Impulse
IN DER NETZHAUT befinden sich Zapfen und Stäbchen, Lichtsinneszellen, die gemeinsam die volle Sehkraft ermöglichen
Stäbchen
Zapfen
DIE ZAPFEN reagieren auf rotes, grünes oder blaues Licht
Rot
Grün
Blau
[Bilder]
Normales Sehen
Mit Farbenfehlsichtigkeit