Chinesische Fischernetze in Indien
Chinesische Fischernetze in Indien
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN INDIEN
AN Indiens Westküste, 250 Kilometer von der Südspitze des indischen Subkontinents entfernt, liegt die Stadt Cochin oder Kochi. Auf beiden Seiten des dortigen Priels sind die Ufer von ungewöhnlichen Auslegernetzen im chinesischen Stil gesäumt. Wie kamen sie dorthin?
Ab dem 8. Jahrhundert u. Z. lebten in dieser Gegend Chinesen, und man geht davon aus, daß chinesische Händler vom Hof Kublai Khans noch vor dem Jahr 1400 als erste solche Netze nach Cochin brachten. Rund um Cochin können in Ufernähe viele Fische gefangen werden. Darum haben diese hohen, mit Muskelkraft betriebenen Fischereigeräte über ein Jahrhundert lang gute Dienste geleistet, bis die Araber die Chinesen vertrieben.
Mit den Chinesen verschwanden auch die Netze. Doch Anfang des 16. Jahrhunderts wurden die Araber von den Portugiesen vertrieben. Offensichtlich brachten die Portugiesen dann solche Netze von der damals portugiesischen Insel Macau in Südostchina mit und führten sie in Cochin wieder ein.
Obwohl das Prinzip jahrhundertealt ist, bewähren sich die chinesischen Netze, deren ursprüngliche Form oder Arbeitsweise kaum verändert wurde, nach wie vor. Sie sind immer noch die Lebensgrundlage für viele Fischer und liefern vielen Menschen Nahrung. Von dem Fang eines einzigen Netzes kann sich ein ganzes Dorf ernähren! Doch die Netze sind nicht nur praktisch, sondern bieten auch einen schönen Anblick, besonders wenn man ihre elegante Silhouette vor dem goldenen Morgen- oder Abendhimmel betrachtet.
Wie funktionieren sie?
Das Gewicht der riesigen chinesischen Netze und des Fangs wird über einen Auflagepunkt durch Gegengewichte ausbalanciert. Wird das Netz nicht benutzt, wird es mitsamt seinem Halterahmen aus dem Wasser gehoben. Das Fischen beginnt in den frühen Morgenstunden. Man fischt vier bis fünf Stunden. Die Netze werden sanft ins Wasser hineingelassen. Dazu balancieren entweder die Fischer das Gewicht am gegenüberliegenden Ende aus, oder der Chef der Fischer läuft auf dem Hauptbalken des Netzes entlang. Das Netz wird 5 bis 20 Minuten im Wasser gelassen, bevor es langsam herausgehoben wird und mit ihm die Fische, die in Ufernähe schwimmen. Dank jahrelanger Erfahrung weiß der Chef genau, wann das Netz nach oben gezogen werden muß.
Auf einen Wink des Chefs holt die Mannschaft von fünf oder sechs Männern das Netz ein, indem sie an den Seilen ziehen, an denen die steinernen Gegengewichte befestigt sind. Als erstes tauchen die Ecken des Netzes aus dem Wasser auf. Dadurch bildet das Netz ein Becken, in dem sich die Fische befinden. Das ist ein aufregender Moment für die Fischer! Nach einem guten Fang klopfen sie sich gegenseitig auf die Schultern, um ihre Freude zum Ausdruck zu bringen. Später werden die Fische an Händler, Hausfrauen und gelegentlich auch an Touristen meistbietend verkauft.
Die Chinesen, die Araber und die Portugiesen kamen und gingen. Aber die chinesischen Netze heben und senken sich entlang der Wasserwege um Cochin genauso, wie sie es schon vor mehr als 600 Jahren getan haben.
[Karte auf Seite 31]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Cochin
[Bildnachweis]
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